Mythos: Die Tierhaltung der Landwirtschaft ist nachhaltig.
Nachhaltigkeit bedeutet, dass Kreisläufe nicht gestört und Systeme nicht langfristig aus dem Gleichgewicht gebracht werden.
(1) Stoffumsatz
Der Konsum von tierischen Produkten geht mit erheblichen Verlusten an nutzbarer Biomasse einher. Im Durchschnitt gehen pro Trophiestufe durch Stoffwechsel und Atmung 90% der Energie verloren ([31],[17]). Aufgrund dieses Energieverlusts müssen bei einem Konsum tierischer Produkte erheblich mehr Ressourcen (landwirtschaftliche Fläche, Wasser, Makro- und Mikronährstoffe) aufgewandt werden, als bei einem direkten Konsum von Pflanzen. Die Energie geht zum einen für die Nutzung des Menschen verloren, zum anderen wird sie über schädliche Stoffwechselprodukte (Treibhausgase, versauerende und eutrophisierende Stoffe) an die Umwelt abgegeben. Der hohe Input an Ressourcen und der hohe Output schädlicher Stoffe stören die biogeochemischen Kreisläufe und bringen die Stoffstrombilanzen ins Ungleichgewicht.
(1.1) Ressourceneinsatz
(1.1.1) Fläche
Eine Proteineinheit aus der Produktion von Rindfleisch benötigt 48-mal mehr Fläche als eine äquivalente Proteineinheit aus der Produktion von Erbsen. Für Schweinefleisch ist das Verhältnis 3:1, für Geflügelfleisch 2:1, für Käse 12:1, für Eier 1,7:1, für Fisch (gezüchtet) 1:1 und für Krebstiere (gezüchtet) 0,6:1. Kuhmilch benötigt mehr als 13-mal so viel Fläche wie Sojamilch [6]. Dieser enorm hohe Flächeneinsatz für tierische Produkte zeigt sich in Deutschland unter anderem dadurch, dass ca. 60% der landwirtschaftlichen Fläche für Tierfutter genutzt wird ([22], S.32) und dennoch zusätzlich ein Drittel am gesamten Eiweißertrag aus Übersee für die Tierhaltung importiert werden muss.
(1.1.2) Wasser
Die Produktion einer Proteineinheit Rindfleisch erfordert 6‑mal mehr Wasser als die Produktion einer gleichwertigen Proteineinheit aus Hülsenfrüchten. Für Schweinefleisch und Lammfleisch ist das Verhältnis 3:1. Für Hühnerfleischprotein muss 79% mehr Wasser als bei der Produktion von gleichwertigen Proteinen aus Hülsenfrüchten eingesetzt werden, für Proteine aus Eiern wird 53% mehr Wasser und für Proteine aus Milch 63% mehr Wasser verbraucht ([18], S. 409).
(1.1.3) Kunstdünger
Um die hohen Futtermittelerträge zu erzielen wird zusätzlich zu Gülle und Schlachtabfällen in großem Maßstab Kunstdünger ausgebracht. In Deutschland ist mehr als die Hälfte (56%) des Hauptdüngemittels Stickstoff Kunstdünger ([13], S.63), der über das besonders energieintensive Haber-Bosch-Verfahren hergestellt wird.
(1.2) Emissionen
Der hohe Stoffeinsatz in der Tierhaltung hat wiederum einen erhöhten Ausstoß an Stoffwechselprodukten wie Methan, Kohlenstoffdioxid, Distickstoffmonoxid, Ammoniak, Nitraten, Stickstoffoxiden und Phosphaten zur Folge.
(1.2.1) Treibhausgase
Die Tierhaltung ist insbesondere aufgrund der hohen Treibhausgaspotentiale von Methan und Distickstoffmonoxid, der Rodung von Wäldern und der Opportunitätskosten nicht genutzter Kohlenstoffsenken ein Hauptverursacher des Klimawandels. Der Anteil liegt bei mindestens 28%. Eine direkte Gegenüberstellung der Treibhausgasemissionen fossiler Energieträger [33] und der Treibhausgasemissionen und Carbon-Opportunitätskosten [32] der Tierhaltung verdeutlicht die Klimaschädlichkeit einer Landwirtschaft mit Tierhaltung.
Die Produktion einer Proteineinheit aus Rindfleisch stößt 125-mal mehr Treibhausgasäquivalente aus als die Produktion einer äquivalenten Einheit aus Erbsen. Für Schweinefleisch ist das Verhältnis 19:1, für Geflügelfleisch 14:1, für Käse 28:1, für Eier 11:1, für Fisch (gezüchtet) 15:1 und für Krebstiere (gezüchtet) 45:1. Für Kuhmilch werden 3‑mal mehr Treibhausgasäquivalente erzeugt als für Sojamilch [6].
(1.2.2) Versauernde Gase
Durch die Tierhaltung fallen hohe Gasemissionen von Ammoniak und Stickstoffoxiden an. Indem sie schließlich abregnen, gelangen sie in alle Ökosysteme, die dadurch versauern. Der Säurestress führt über eine unausgewogene Nährstoffzufuhr zu einer Minderung der Vitalität der Pflanzen und hat eine geringere Widerstandskraft der Pflanzen gegenüber Dürre und Frost zur Folge. Zudem verändert sich die Artenzusammensetzung. Die Produktion einer Proteineinheit aus Rindfleisch emittiert 42-mal mehr versauernde Gase als die Produktion einer entsprechenden Einheit aus Erbsen. Für Schweinefleisch ist das Verhältnis 23:1, für Geflügelfleisch 16:1, für Käse 20:1, für Eier 13:1, für Fisch (gezüchtet) 8:1 und für Krebstiere (gezüchtet) 24:1. Bei Kuhmilch werden 8‑mal mehr versauernde Gase erzeugt als bei Sojamilch [19]. Ammoniak ist zudem ein gasförmiger Vorläuferstoff, aus dem sich gesundheitsgefährdende, sekundäre Feinstaubpartikel bilden ([13], S.107).
(1.2.3) Eutrophierende Stoffe
Der Gülleeintrag und der Einsatz von Kunstdünger haben ein Überangebot an gebundenem Stickstoff und Phosphor im Boden zur Folge, die eine Eutrophierung von Gewässern, Flüssen und schließlich Meeresgebieten (Nordsee) verursachen. In weiten Teilen Deutschlands überschreiten die Einträge dauerhaft die Belastungsgrenzen ([13], S.76). Die Eutrophierung begünstigt nährstoffliebende Pflanzen, verdrängt nährstoffempfindliche Pflanzen und führt so zu einem Verlust an Artenvielfalt bei Pflanzen, Insekten und Tieren. In Seen und Meeren brechen komplette Ökosysteme zusammen. Die Produktion einer Proteineinheit aus Rindfleisch bringt 44-mal höhere Einträge an eutrophierenden Stoffen mit sich, als die Produktion einer entsprechenden Einheit aus Erbsen. Für Schweinefleisch ist das Verhältnis 14:1, für Geflügelfleisch 8:1, für Käse 13:1, für Eier 6:1, für Fisch (gezüchtet) 30:1 und für Krebstiere (gezüchtet) 45:1. Bei Kuhmilch werden 10-mal mehr euthrophierende Stoffe an das Oberflächenwasser abgegeben als bei Sojamilch [19].
(2) Einsatz von Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden
Der hohe Bedarf an Futtermitteln für die Tierhaltung erfordert eine Intensivierung der Landwirtschaft unter Einsatz von Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden. In Deutschland wurden im Jahr 2016 solche Mittel mit mehr als 32 tausend Tonnen Wirkstoff ([13], S.54) abgesetzt. Zum einen sind Herbizide, Fungizide und Insektizide über Wasser- und Nahrungsaufnahme gesundheitsschädlich für den Menschen. Zum anderen schädigen sie maßgeblich Insektenpopulationen. An repräsentativen Standorten in Deutschland wurde über 27 Jahre ein durchschnittlicher Rückgang der Biomasse an Insekten von 76% gemessen [23]. Der Rückgang an Insekten hat wiederum Auswirkungen auf Pflanzen und Tiere. So sind etwa 80% der Wildpflanzen abhängig von Insekten für Bestäubung [35], während 60% der Vögel auf Insekten als Nahrungsquelle angewiesen sind [36].
Insgesamt sind
- der hohe Flächenbedarf und somit die Verdrängung von Pflanzen und Wildtieren
- die hohen Emissionen von versauernden und eutrophierenden Stoffen
- der Einsatz von Pestiziden und damit der Verlust an Insekten
Gründe für den Verlust an Biodiversität, der zu einem Rückgang der Pflanzenvielfalt und Tierpopulationen [25] und dem beobachtbaren sechsten Massenaussterben von Arten führt.
Die Aussterberate ist 117-mal höher, als ohne menschlichen Einfluss zu erwarten wäre [24]. Die meisten bedrohten Tierarten sind in Südamerika, Asien und Ozeanien beheimatet, jedoch trägt die Tierhaltung in Deutschland durch die hohen Futtermittelimporte und die damit verbundenen Rodungen von Regenwäldern auch für die dortigen Aussterbeereignisse eine ursächliche Mitverantwortung.
(3) Einsatz von Antibiotika
Die Tierhaltung erfordert einen hohen Einsatz von Antibiotika. Sie werden zu einem geringen Teil gegen individuelle Tierkrankheiten eingesetzt, größtenteils aber prophylaktisch und um das Wachstum der Tiere und damit deren Schlachtreife zu beschleunigen. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland in der Veterinärmedizin 670 Tonnen Antibiotika verwendet, darunter 131 Tonnen von der WHO eingestufte Reserveantibiotika (Highest Priority Critically Important Antimicrobials for Human Medicine) [40]. In der Humanmedizin wurden im Jahr 2016 in Deutschland 666 Tonnen Antibiotika verbraucht ([41], S.6).
Antibiotikaeinsatz insbesondere in der Tierhaltung führt zu gefährlichen Antibiotikaresistenzen, die die wirksame Behandlung infektiöser Erkrankungen bei Mensch und Tier beeinträchtigen. In Deutschland sterben pro Jahr ca. 6000 Menschen an multiresistenten Keimen. Die WHO stuft Antibiotikaresistenzen als eine der größten Bedrohungen für die globale Gesundheit, Ernährungssicherheit und Entwicklung ein [42].
(4) Ursache und Treiber von Zoonosen und Pandemien
Die Tierhaltung mit ihrer hohen Dichte an Tieren und ihrem hohen Flächenbedarf ist einer der Hauptgründe für von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten (Zoonosen) und schließlich für Pandemien. Die hohen Haltungsdichten fördern die Entstehung von Pathogenen innerhalb der Tierhaltung und die Wahrscheinlichkeit von Übersprüngen auf Menschen. Der enorme Flächenbedarf der Tierhaltung für Futtermittel und Weide verdrängt Wildtiere aus ihren Habitaten und bringt sie in Kontakt mit domestizierten Tieren und Menschen ([38], S.15–19). Mehr als 70% aller bei Menschen neu auftretenden Krankheiten sind Zoonosen ([39], S.5). Fast 100% der Pandemien werden durch Zoonosen verursacht ([39], S.8).
Der Weltbiodiversitätsrat IPBES hat deshalb u.a. den Fleischkonsum und die Tierhaltung als pandemische Hochrisikoaktivitäten bezeichnet und schlägt entsprechende Steuern und Abgaben vor. Darüber hinaus fordert der Rat, dass die wirtschaftlichen Kosten von Pandemien in den Verbrauch und die Produktion eingepreist und Budgets für Transformationsprozesse in den Regierungshaushalten bereitgestellt werden ([39], S.8).