IPCC Report III — Kernelemente & kritischer Review
Im letzten Teil des IPCC-Berichts, der am 04.04.22 präsentiert wurde, ging es um die Ursachen des Klimawandels und darum, wie wir die Katastrophe noch eindämmen können.
Dieser Bericht ist hochpolitisch und stand im vorangegangen, politischen Review unter heftigtem Beschuss. Bezeichnend dafür ist, dass die heutige Präsentation des „Summary for Policymakers“ um mehrere Stunden verschoben wurde, da gemäß der Zeitschrift „The Guardian“ Regierungen in letzter Minute das Wording an vielen Stellen verändern wollten und offensichtlich auch haben.
Ein vorangegangener Leak des Reports enthüllte vor 6 Monaten unter anderem, dass die Wissenschaftler eine Änderung des kapitalistischen Wachstumsparadigmas einforderten und als wesentliche Maßnahme dringend empfahlen, die Tierhaltung zu reduzieren.
1. Situationsbeschreibung des UN-Generalsekretärs
Im Vorwort der Präsentation betonte der UN- Generalsekretär António Guterres, dass der Report, so wörtlich, „eine Auflistung gebrochener Klimaversprechen und Lügnereien von Politikern und Wirtschaftsführern“ sei.

Demnach sind wir auf dem Weg zu einer 3,2 °C Erhitzung bis zum Ende des Jahrhunderts. Dabei seien Kipppunkte und viele Feedback-Loops noch gar nicht eingerechnet. Die Emissionen müssten eigentlich in 8 Jahren um 45% sinken, nach den aktuellen Zusagen der Regierungen werden wir sie aber in diesem Zeitraum um 14% steigern.
2. Unsere Kritikpunkte an der Präsentation und der Zusammenfassung für Politiker
- Der UN-Generalsekretär spricht in seiner Ansprache ausschließlich über fossile Industrien und der Notwendigkeit des Wechsels zu erneuerbaren Energien.
- In der anschließenden Folien-Präsentation wird mehrfach und eindringlich die Landnutzung als Kernproblem identifiziert, jedoch nicht deren Hauptursache, nämliche die Tierhaltung benannt. Aufforstungen werden als absolut notwendige Schlüssellösung dargestellt, es wird jedoch nicht erläutert, woher die Flächen dafür kommen sollen.
- In der gesamten Präsentation wird Tierhaltung mit keinem Wort genannt.
- Nicht genannt werden auch (i) die Carbon-Opportunitätskosten der Tierhaltung, (ii) die Problematik der „Short-Lived-Climate-Forcers“ und (iii) die Methan-Emissionen der Tierhaltung (die der fossilen Industrien werden explizit erwähnt).
- Im Bereich der individuellen Veränderungen wird dem „Zufußgehen“ und dem „Fahrradfahren“ das größte Potential beigemessen! Eine pflanzenbasierte Ernährung wird nur mündlich beiläufig als weitere Option genannt.
- In den Folien erscheint Ernährung einmal, aber nur der Wechsel zu einer „ausgeglichenen, nachhaltigen, gesunden“ Ernährung. Worte wie „pflanzenbasiert“, „Reduktion tierischer Produkte“ u.ä. werden nicht verwendet.
- Die Tierhaltung als Problem und das pflanzenbasierte Ernährungssystem als Lösung werden ebenso in der entscheidenden, schriftlichen Zusammenfassung für Politiker („Summary for Policymakers“ ) ignoriert.
3. Unsere Bewertung
Hier wurde aus unserer Sicht ganz eindeutig lobbyistisch eingegriffen, denn in der 2900-seitigen Langversion wird ausdrücklich von einer pflanzenbasierten Ernährung gesprochen. Ihr wird auch das größte Potential auf Nachfrageebene beigemessen (siehe folgende Beispiele).
Beispiel 1: Im folgenden Diagramm werden im Report (Seite SPM-50) die jährlichen Einsparpotenziale der Energie- und Landwirtschafts-Sektoren gegenübergestellt. Demnach können im Energiesektor (oben) insges. ca. 14 Gt CO2e und im Landwirtschaftssektor (unten) selbst ohne Carbon-Opportunitätskosten ca. 15 Gt CO2e eingespart werden. Die Sektoren sind in einer Reduktionsstrategie also mindestens gleich wichtig.
Beispiel 2: Im Gesamtreport wird dem Wechsel zu einer pflanzenbasierten Ernährung das größte disruptive Potential beigemessen (Seite TS-98).
Beispiel 3: Im Gesamtreport wird auf Seite 5–98 aufgezeigt, dass Regierungen einen Wechsel zu einer pflanzenbasierten Ernährung durch geeignete Maßnahmen forcieren und beschleunigen können.
4. Weitere Kritikpunkte
Wachstumskritik, Kritik am Kapitalismus und Post-Wachstums-Ökonomie wurden in der Präsentation nicht erwähnt und finden sich ebenfalls nicht in der Zusammenfassung für Politiker. Vielmehr werden dort zahlreiche Verweise auf „Opportunities“ gegeben und neue Technologien als Lösungen dargestellt.
Im 2900-seitigen Gesamtreport hingegen finden sich einige Passagen mit Kapitalismuskritik, u.a. auch bzgl. „Degrowth“ (Seite 3–86):
“Conversely, several studies find that only a GDP non-growth/degrowth or post-growth approach allow to reach climate stabilization below 2°C (Hardt and O’Neill 2017; D’Alessandro et al. 2020; Hickel and Kallis 2020; Nieto et al. 2020), or to minimize the risks of reliance on high energy-GDP decoupling, large-scale CDR and large-scale renewable energy deployment (Keyßer and Lenzen 2021).”
5. Fazit
Die wissenschaftlichen Fakten zur aktuellen Situation sind bekannt und wurden lediglich wiederholt. Überrascht haben die deutlichen Aussagen des UN-Generalsekretärs, der Politiker und Wirtschaftsführer als Täuscher und Lügner betitelte.
Skandalös aus unserer Sicht und wsl. fatal ist der offensichtliche Lobby-Einfluss auf die Zusammenfassung und Präsentation der Erkenntnisse. Auch wenn die Erkenntnisse vorhanden und im 2900-Seiten-Report niedergeschrieben wurden, führt nur eine adäquate, kompromisslose Kommunikation letztendlich zu den notwendigen politischen, wirtschaftlichen, systemischen und individuellen Veränderungen.
landwirtschaft.jetzt wird sich davon aber nicht entmutigen lassen und wird weiter lobbybefreit bezüglich der Notwendigkeit eines pflanzenbasierten Landwirtschafts- und Ernährungssystem informieren.