Die Kuh ist (k)ein Klimakiller?!
Einige Verfechter der Tierhaltung, beispielsweise der Tierernährungs-Experte Prof. Wilhelm Windisch, die Tierärztin Dr. Anita Idel, der Bauer Sven Lorenz, der Agrarlobbyist Prof. Frank Mitloehner und die Köchin Sarah Wiener behaupten in Interviews, Vorträgen, Artikeln, Lobbyplattformen und Büchern wiederkehrend: „Die Kuh ist kein Klimakiller.“ Wir haben uns 16 der gängigsten Behauptungen angesehen, haben sie einem intensiven Faktencheck unterzogen und kommen zu dem eindeutigen Fazit: „Die Kuh als Nutztier ist ein Klimakiller.“
Während sich die Behauptungen inhaltlich wiederholen, ist die Liste der Quellen lang. Einige Links dazu finden sich unter den Referenzen [49–57] im Quellenverzeichnis am Ende dieses Artikels.
Methan
Generell wird von Tierhaltungs- und insbesondere von Kuhhaltungs-Verfechtern versucht, die Rolle von Methan herunterzuspielen, da es das bedeutendste Treibhausgas der Tier-/Kuhhaltung ist.
1. Behauptung: Methan ist 25-mal schädlicher als CO2.
Richtig ist: Dies trifft nur zu, wenn man den Betrachtungszeitraum auf 100 Jahre streckt. Die Anwendung dieses Zeitraums ist rein exemplarisch und es gibt gemäß IPCC kein wissenschaftliches Argument dafür [1]. Aufgrund der Kurzfristigkeit des Abbaus und der Dringlichkeit des Problems ist ein kürzerer Zeitraum sinnvoller [2]. Methan ist gem. Klimamodellen von Myhre et al. (2013) ohne Berücksichtigung von Sulfatabbau (indirect Forcing) [8] über einen Betrachtungszeitraum von 12 Jahren mehr als 100-mal schädlicher und über 20 Jahre 87-mal schädlicher als CO2 [3].
2. Behauptung: Methan spielt nur kurzfristig eine Rolle, hat aber langfristig keine Wirkung. CO2 ist kumulativ.
Richtig ist: Es ist zutreffend, dass Methan sehr kurzfristig wirkt, jedoch hat es über einen Zeitraum von 12 Jahren mehr als die 100-fache und über 20 Jahre die 87-fache Wirkung von CO2 [3]. Die ständigen Emissionen aus der Tierhaltung, insbesondere der Kühe, führen zu einer hohen Sockel-Konzentration in der Atmosphäre, ohne die sich das Klima in nur 12 Jahren dauerhaft um ca. 0,2 °C abkühlen würde [2]. Gerade wegen der Kurzlebigkeit sollte der Abbau von Methan-Emissionen eine hohe Priorität haben [12],[40]. Dass sich CO2-Emissionen kumulativ auf die Treibhausgas-Konzentrationen in der Atmosphäre auswirken ist richtig, diese Effekte sind aber über die zeitbezogenen Intergale der GWP-Modelle berücksichtigt [48].
3. Behauptung: Methan aus fossilen Energien ist schädlich, das Methan von Kühen aber nicht.
Richtig ist: Gemäß des IPCC hat Methan aus fossilen Quellen über 20 Jahre ein Erwärmungspotential (GWP) von 85, das biogene Methan hat ein GWP von 84. Der minimal höhere Wert beim fossilen Methan ergibt sich aus der Tatsache, dass dort der Atmosphäre Kohlenstoff neu zugeführt wird und das Methan sich letztendlich zu klimawirksamen CO2 abbaut [59]. Die verbleibenden Mengen an CO2 sind dabei aber sehr gering, so dass die beiden Erwärmungspotentiale beinahe gleich groß sind.
Methan baut sich zwar innerhalb von 12 Jahren ab, durch die Kühe wird aber ständig Methan emittiert, so dass ein gleich hohes Niveau in der Atmosphäre mit entsprechend hohen Rückstrahlungswirkungen bestehen bleibt [11]. Ohne Kühe würden die Methankonzentrationen drastisch sinken und sich das Klima somit enorm abkühlen [2].
4. Behauptung: Methan (CH4) befindet sich in einem Kreislauf und ist daher unschädlich.
Richtig ist: CH4 befindet sich in keinem Kreislauf, sondern lediglich das darin enthaltene Kohlenstoffatom. Zunächst nimmt die Kuh Kohlenstoff über die Gräser auf. Bakterien in den Verdauungssystemen der Kuh zersetzen die Biomasse und synthetisieren das Kohlenstoffatom mit Wasserstoff zu CH4, welches in die Atmosphäre gelangt und über komplexe, klimaschädigende Prozesse in CO2 abgebaut wird. Dann nehmen die Pflanzen das CO2 wieder auf. Dieser Prozess dauert zwar nur 12 Jahre, aber innerhalb dieser 12 Jahre ist Methan mehr als 100-mal schädlicher als wenn es nur das CO2 geben würde. Das Kohlenstoffatom befindet sich zwar in einem Kreislauf, die Umwandlung von CO2 in CH4 ist aber keineswegs neutral. Im Prinzip wird über die Kuh das CO2 der Luft durch CH4 ersetzt, und das dauerhaft, denn die Umwandlung bei einem gleichbleibenden Tierbestand findet kontinuierlich auf gleich hohem Niveau statt [8].
Eine einfache Rechnung zeigt, wie schädlich eine Kuh für das Klima ist: Eine Kuh in Weidehaltung benötigt ca. 6700 m2. Pro Jahr stößt eine Kuh ca. 100 kg Methan aus. Dies entspricht bei einem GWP (Global Warming Potential) von 87 ca. 8700 kg CO2-Äquivalente. Pro Quadratmeter verursacht eine Kuh somit 1,3 kg CO2eq pro Jahr. Eine ungesättigte Weidefläche sequestriert pro Quadratmeter und Jahr aber nur 0,2 kg CO2 [9]. Ohne Berücksichtigung weiterer Faktoren schädigt die Kuh in Weidehaltung das Klima pro Jahr demnach mit netto 7370 kg CO2eq. Weitere Faktoren erhöhen die Klimaschädlichkeit der Kuh zusätzlich, wie bspw. die Methan-Emissionen der Gülle, die Carbon-Opportunitätskosten der Aufrechterhaltung des Graslands und das regelmäßige Ausatmen von CO2.
Grasland / Grünland
Kuhhaltungs-Verfechter versuchen, die Nutzung von Kühen zur Erhaltung des Graslands als natürlich, notwendig und klima- und biodiversitätsförderlich darzustellen. Eine Beweidung durch Kühe wird als alternativlose Nutzungsform des Graslands propagiert.
5. Behauptung: Grasland ist in Deutschland ein erfolgreiches Ökosystem.
Richtig ist: Das Grasland in Mitteleuropa ist anthropogen, also künstlich und kann nur existieren, wenn es ständig beweidet und gemäht wird. Das natürliche Ökosystem in Deutschland ist der Wald. Ohne Eingriffe verwandelt sich das in Deutschland vorherrschende Grasland innerhalb weniger Jahre durch Sukzession wieder in Wald [4].
6. Behauptung: Durch die Beweidung über die sogenannte “Regenerative Weidewirtschaft” (Regenerative Grazing, Holistic Grazing) wird das Graswachstum incl. der Wurzeln derart gesteigert, dass es zu einer ständigen Netto-CO2-Sequestrierung über den Boden kommt.
Richtig ist: Auf neuem Grasland führt die Beweidung über dieses System zwar zu einer geringen Anregung des Pflanzenwachstums, insbesondere der Wurzeln, aber bereits nach wenigen Jahren kann der Boden kein weiteres CO2 mehr aufnehmen und der Effekt tendiert gegen null. Ab dann wird genauso viel CO2 abgegeben, wie zuvor aufgenommen wurde. Diese Sättigung wird nach 30–70 Jahren erreicht, dürfte also beim Weideland in Deutschland schon längst erreicht sein [5]. Eine weitere Meta-Studie über 25000 Primärstudien kommt zu dem Ergebnis, dass durch Beweidung gegenüber Nicht-Beweidung der organische Bodenkohlenstoff (Soil Organic Carbon — SOC) sogar zwischen 4% und 31% abnimmt (im Durchschnitt: 7%) [60].
7. Behauptung: Grasland-Böden speichern mehr Kohlenstoff als Wälder.
Richtig ist: Zwar speichern Grasland-Böden mehr Kohlenstoff als Wald-Böden, jedoch speichern Wälder oberirdisch enorm viel mehr Kohlenstoff über Bäume und Sträucher. In der Summe speichern Wälder deutlich mehr Kohlenstoff als Graslandschaften [13]. Wälder haben ein weit höheres Sequestrationspotential, vor allem, wenn sie erst wachsen müssen (z.B. bei einer Aufforstung von Grasland), da sie dann den Sättigungsgrad erst nach 100 – 200 Jahren erreichen. Die Sequestrationsrate eines wachsenden Waldes liegt bei 7 – 21 Tonnen CO2 pro Jahr und Hektar [14]. Ungesättigtes Grasland kann im Boden netto lediglich 2 Tonnen pro Jahr und Hektar binden [9].
8. Behauptung: Kühe sorgen für Biodiversität.
Richtig ist: Beweidete Graslandschaften in Deutschland bieten höhere Biodiversität als Äcker jedoch haben die natürlichen Ökosysteme in Deutschland, nämlich Wälder, die höchste Biodiversität. Diese bieten weit mehr und viel unterschiedlichere Lebensräume. Neben Bäumen leben dort zahlreiche Pflanzen, Pilze, Mikroorganismen, Insekten und Wirbeltiere [17],[18]. Gemäß einer globalen Meta-Analyse über 107 Studien verringert die Beweidung von Graslandschaften gegenüber Nichtnutzung sowohl die Menge an Pflanzen und Tieren, als auch die Biodiversität unter den Tieren deutlich. Insbesondere die Menge und Vielfalt der Bestäuber nimmt ab [58].
Möchte man dennoch etwas Grasland behalten, so könnten einige wenige Tiere z.B. auf Almen oder in einem abgeschlossenen Habitat angesiedelt werden, wo sie dort bis zu ihrem natürlichen Tod und ohne Ausbeutung (Fleisch, Milch) leben können. Eine Tier- „Nutzung“ ist in keinem Fall erforderlich.
9. Behauptung: Grasland kann ausschließlich von Wiederkäuern sinnvoll genutzt werden.
Richtig ist: Es stimmt, dass durch Verfütterung von Gras an Wiederkäuer die Nahrungsmittelproduktion erhöht werden könnte, denn für diese Agrarflächen besteht keine Nahrungskonkurrenz und ein Umbruch des Graslands ist ökologisch nicht sinnvoll. Eine zusätzliche Nahrungsmittelproduktion über Grasland ist aber bei einem rein pflanzlichen Ernährungssystem gar nicht erforderlich, denn die bestehenden Futtermitteläcker reichen mehr als aus, um alle Menschen ausreichend zu versorgen [6]. Aus gegenwärtiger Sicht der Klima,- Biodiversitäts- und (geopolitischen) Energiekrisen viel sinnvollere Nutzungen für Grasland sind Aufforstungen, Anlagen für erneuerbare Energien (Solar, Windkraft), Naturschutzgebiete und auf Grassubstrate basierende Biogasanlagen, die neben Energie auch Dünger liefern [7],[39]. Hierzu sollte es ggf. zusätzliche staatliche Anreize geben, z.B. Investitionsförderungen, CO2-Zertifikate oder Direktsubventionen.
Kühe als Düngerlieferanten / Nährstoffkreislauf
Tier- und Kuhhaltungs-Verfechter versuchen, die Tierhaltung als notwendigen und alternativlosen Bestandteil der Landwirtschaft darzustellen.
10. Behauptung: Wir brauchen die Kühe für Dünger. Kühe sind erforderlich für eine Kreislaufwirtschaft.
Richtig ist: Bei Kühen erfolgt die Verdauung maßgeblich durch anaerobe Bakterien, welche die Pflanzenbestandteile u.a. schließlich in Gülle und Methan umwandeln. Viel sinnvoller ist es, wenn aerobe Bakterien die Umwandlung der Pflanzen in Dünger außerhalb von Tieren übernehmen, denn dann entsteht nicht das extrem klimaschädliche Methan. Diese innovativen Techniken werden z.B. bei der Gründüngung, beim Kompostieren und beim Humusaufbau angewandt. Als Ersatz für Stickstoff-Kunstdünger können Leguminosen genutzt werden, welche dann entweder geerntet oder als Gründünger, Cut & Carry — Bestandteil oder zum Kompostieren und zum Humusaufbau verwendet werden können [15]. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Dünger über Grassubstrat-basierende Biogasanlagen herzustellen und das anfallende Methan als erneuerbaren Energieträger zu nutzen [39].
Ganz generell sind „Nutztiere“ nicht für landwirtschaftliche Kreisläufe erforderlich. Die Tierhaltung ist vielmehr ein künstlicher und ressourcenintensiver Faktor, der die Stoffstrombilanzen ins Ungleichgewicht bringt. So gelangt nur ein Teil der Nährstoffe der Tierkörper wieder zurück auf das Feld, fremde Böden werden durch Futtermittelimporte ausgebeutet und hiesige mit Nährstoffen überschwemmt, der hohe Futtermittelbedarf erfordert intensive Landwirtschaft unter Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden und über das künstliche Konstrukt der Tierhaltung gelangt massenhaft Antibiotika auf die Felder [16].
Effizienz
Tierhaltungs-Verfechter versuchen, Alternativen zu einer Landwirtschaft mit Tierhaltung als nicht machbar und nicht effizient darzustellen.
11. Behauptung: Für eine Einheit direkt essbare Pflanzenbestandteile fallen vier weitere nicht-essbare Pflanzenbestandteile an. Wir brauchen Kühe, um diese nicht-essbaren Pflanzenbestandteile in Nahrung zu verwandeln. Kühe können aus den vier Einheiten nicht-essbare Pflanzenbestandteile eine Einheit essbare Nahrung herstellen.
Richtig ist: Das dargestellte Verhältnis ist nicht korrekt. Viele Pflanzenbestandteile können auch direkt der Nahrung des Menschen dienen und für alle anderen gibt es effiziente, alternative Nutzungen.
In das vorgetragene Verhältnis von vier Anteilen nicht essbarer Biomasse für einen essbaren Anteil hat Prof. Windisch zu einem großen Teil Gras einfließen lassen [25]. Gras ist aber kein Nebenprodukt der für Menschen angebauten Pflanzen. Es darf in diese Rechnung somit gar nicht integriert werden.
Des Weiteren wurden Zwischenkulturen der Fruchtfolge einbezogen [25]. Es besteht aber keine Notwendigkeit, diese an Tiere zu verfüttern. Je nach Art können sie auch von Menschen gegessen werden (z.B. Lupine, Hülsenfrüchte). Darüber hinaus dienen im biozyklisch-veganen Anbau Zwischenfrüchte, indem sie gemulcht und untergepflügt werden, dem wichtigen Zweck der Gründüngung [26],[27].
Es ist natürlich zutreffend, dass bei der Ernte von Feldfrüchten für den Menschen nicht-essbare Bestandteile anfallen. Im Beispiel Getreide ist das Verhältnis von Korn zu Stroh und Spreu 1:0,9. Hierbei überwiegt das Stroh gegenüber der Spreu deutlich. Das Stroh findet aufgrund des geringen Nährwerts aber kaum als Futtermittel Verwendung. Lediglich die Spreu kann sinnvoll an Tiere verfüttert werden, allerdings gibt es auch andere Nutzungsmöglichkeiten. Einerseits werden gerade Verfahren entwickelt, um sie über Fermentation für pflanzenbasiertes Fleisch zu nutzen [28][31], andererseits können sie zur Düngung beitragen [27]. Analoges gilt für die nicht-essbaren Bestandteile aller anderen Feldfrüchte.
In die Rechnung von Prof. Windisch fließen auch Nebenprodukte der Verarbeitung ein [25]. Dies sind vorrangig Rapsextraktionsschrot, Sojaextraktionsschrot, Treber und Trester. Hierbei handelt es sich um die eiweißreichen Reste der Pflanzenölgewinnung, um die eiweißreichen Rückständen beim Brauen und um die Pressrückstände von Obst und Gemüse. Alle diese Nebenprodukte werden schon seit langer Zeit auch direkt für Nahrungsmittel für Menschen genutzt, z.B. als Fleischersatz, für Proteinpulver, für Brot, für Spirituosen und für Pektin. Seit kurzem können über neue Verfahren Extraktionsschrote und Treber aber auch zur Herstellung von proteinreichem, pflanzenbasiertem Fleisch verwendet werden [32],[33],[29].
Zukünftig wird es auch Verfahren und Technologien geben, nicht-essbare Biomasse höchsteffizient in für Menschen hochwertige Lebensmittel zu verwandeln. Beispielsweise ist es Unternehmen gelungen, das auf der Erde am häufigsten vorkommende Protein Rubisco aus Pflanzen zu extrahieren [30]. Ebenfalls wird es Verfahren geben, Biomasse über Zuckerfreisetzung und mithilfe von Präzisionsfermentation in alle denkbaren Proteine, Fette und Kohlenhydrate zu verwandeln [31].
Ergänzend zu allen dargestellten Nutzungsmöglichkeiten, dienen die nicht in Nahrung verwandelbaren Reste des Pflanzenbaus der für die bio-vegane Landwirtschaft essentiellen pflanzlichen Düngung. Dies erfolgt über verschiedene innovative Verfahren, wie Gründüngung, Grünschnittdüngung, Kompostierung und Humusaufbau [27]. Auch eine Nutzung über Biogasanlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie und wertvollem Dünger ist möglich.
12. Behauptung: Wir brauchen bei einer rein veganen Landwirtschaft die doppelte Agrarfläche.
Richtig ist: Das Gegenteil ist der Fall. Entscheidend ist, dass alle Flächenverbräuche einberechnet und die Erträge pro Flächeneinheit in Form von pflanzlichen und tierischen Kalorien und Proteinen verglichen werden [36],[37]. So müssen in eine Landwirtschaft mit Kühen auch die Grünflächen, welche Nahrungslieferanten der Kühe und letztendlich Düngelieferanten für die Äcker sind, in den Vergleich einfließen. Bei einer veganen Landwirtschaft dürfen Pflanzenreste, wie oft unterstellt, nicht einfach auf dem Feld verrotten, sondern es müssen neueste Erkenntnisse und Techniken wie Gründüngung, Grünschnittdüngung, Kompostierung [27], Humusaufbau [35] und Vergärung über Biogasanlagen zum Einsatz kommen. So lässt sich über Kompostierung, Humuserzeugung und Biomassevergärung pflanzlicher Dünger herstellen, der ebenso wie Mist und Gülle lagerbar und bedarfsgerecht einsetzbar ist.
Global gesehen können die Agrarflächen bei einem Wechsel zu einer veganen Landwirtschaft um 76% und die die Ackerflächen um 19% verringert werden [36]. In Deutschland dürfte der Anteil etwas geringer sein, da die Landwirtschaft kaum extensiv, sondern meist intensiv betrieben wird. Dennoch würden auch in Deutschland ohne Tierhaltung enorme Flächen frei.
Dies ermöglichte einerseits die zwar weniger effiziente, dafür aber nachhaltige bio-veganen Landwirtschaft ohne Kunstdünger und Pestizide zu betreiben und andererseits die Flächen gegen den Klimawandel und den Verlust der Biodiversität einzusetzen, z.B. durch Aufforstungen, Anlagen für erneuerbare Energien (Solar, Windkraft) und Naturschutzgebiete. Ziele der Energiewende und Energieautarkie können mit einem Wechsel zu einer pflanzenbasierten Landwirtschaft verknüpft werden, z.B. indem Grünflächen als Gärsubstrat-Lieferant für Biogasanlagen dienen und nach Vergärung wichtigen pflanzenbasierten Dünger über die Gärreste liefern [39].
Emissionen
Tierhaltungs-Verfechter versuchen, die Emissionen der Tierhaltung herunterzuspielen und als vernachlässigbar darzustellen.
13. Behauptung: In Deutschland stammen nur 3,2% der CO2-Äquivalente aus der Tierhaltung.
Richtig ist: Das Umweltbundesamt gibt an, dass ca. 5% (36 Mt. CO2eq von 762Mt. CO2eq) der Treibhausgase direkt der Tierhaltung entstammen [38]. Die Anteile der Tierhaltung sind aber wesentlich höher, denn es fehlen (1) Emissionen, die durch die Herstellung von Kunstdünger für die riesigen Tierhaltungsflächen anfallen und (2) potentielle Kohlenstoffsenken (Carbon-Opportunitätskosten), also die Nicht-Nutzung des Sequestrierungspotentials der Tierhaltungsflächen. Zudem werden (3) die Werte für Methan mit einem zu geringen Erwärmungspotential berechnet. Für (1) und (2) fallen insbesondere die großen Auslandsflächen für Futtermittel ins Gewicht, die in den Rechnungen des Umweltbundesamtes überhaupt nicht einbezogen werden.
Ginge man davon aus, dass wir in Deutschland alle Futtermitteläcker anstatt für Tiere für Menschen nutzen würden, würden 46% der von Deutschland inländisch und ausländisch genutzten Agrarflächen frei (d.h. hiesiges Grünland und Auslands-Futtermitteläcker). Dies ist eine sehr konservative Annahme im Vergleich zu den Berechnungen der Oxford Universität, die auf globaler Ebene ein Freiwerden von 76% der Agrarflächen errechneten [36]. Für Deutschland ergäben sich im Szenario mit 46% freiwerdender Flächen Treibhausgasminimierungspotentiale von mindestens 206 Mt CO2eq pro Jahr, was 21% der Treibhausgasemissionen und ungenutzten Potentiale entspricht (im Kontrast zu den von Prof. Windisch genannten 3,2% und den 5% des Umweltbundesamtes). Der Anteil wäre noch höher, würde man die Energieaufwände der Tierhaltung (Maschinen, Ställe, Schlacht- und Kühlhäuser, Tiertransporte), die fortdauerenden Brandrodungen der Regenwäldern, die Fischzucht und die Ozeanfischerei miteinbeziehen.
14. Behauptung: Die klimaschädlichsten Emissionen der Landwirtschaft sind die von N2O und diese stammen vorwiegend aus der Verwendung von Kunstdünger für den Futtermittelanbau.
Richtig ist: N2O hat zwar ein höheres Erwärmungspotential als Methan (270 vs. 87 bzw. 103), jedoch sind die N2O-Emissionen aus der Tierhaltung mengenbezogen vergleichsweise gering, so dass die Klimaschädigung dieser N2O-Emissionen bezogen auf die Gesamtemissionen der Tierhaltung nur etwa 7% beträgt (bezogen auf 206 Mt CO2eq, siehe Behauptung 13 und Quelle [38]). Zudem stammt das N2O der Landwirtschaft nicht nur aus der Zersetzung von Kunstdünger auf den Feldern, sondern zu einem großen Teil auch aus dem Abbau der Kuhgülle auf den Weide- und Ackerfächen [38].
15. Behauptung: Die Rückführung (Rezyklierung) der nicht-essbaren Biomasse verursacht stets die gleichen Klimagaswirkungen, unabhängig davon, ob sie über die Fütterung an Nutztiere, über Biogasgewinnung, Gründüngung, Kompostierung oder Humusaufbau erfolgt.
Richtig ist: In der veganen Landwirtschaft erfolgt die Zersetzung der Pflanzen durch aerobe Bakterien und führt zu CO2-Emissionen. In Kühen hingegen erfolgt die Zersetzung der Pflanzen anaerob, was mit der Emission von Methan einhergeht. Da Methan 87–103-mal stärker wirkt als CO2, ist die Rezyklierung des Kohlenstoffs aus Biomasse über Kühe entsprechend klimaschädlicher.
Falls in der veganen Landwirtschaft eine Biogasanlage zur Erzeugung von Methan und Dünger eingesetzt wird, entsteht in der Anlage zunächst zwar Methan, dieses gelangt aber nicht in die Atmosphäre, denn es wird über die Verbrennung zu CO2 umgewandelt.
Bio-Tierhaltung / Weidehaltung
Über das Argument der sogenannten Bio-Tierhaltung versuchen Tierhaltungs-Verfechter, eine Alternative aufzuzeigen.
16. Behauptung: Bio-Tierhaltung und insbesondere Weidehaltung sind die Lösung.
Richtig ist: Ganz generell ist Bio-Tierhaltung als Ersatz für die konventionelle Tierhaltung überhaupt nicht umsetzbar, da Deutschland die dafür notwendigen Flächen gar nicht besitzt. Zudem ist aber Bio-Tierhaltung ökologisch nicht zielführend. Bio-Tierhaltung ist für die Biodiversität zwar etwas besser als konventionelle Tierhaltung, aber schlechter als das natürliche Ökosystem Wald, das es eigentlich zu vergleichen gilt. Für das Klima ist die Bio-Tierhaltung mindestens so schädlich wie die Intensivtierhaltung. Aufgrund von durchschnittlich 90% Energieverlusten bei der Umwandlung pflanzlicher Proteine und Nährstoffe in Fleisch, Milch und Eier verursachen tierische Produkte gegenüber gleichwertigen, pflanzlichen Alternativen ein Vielfaches an schädlichen Stoffwechselprodukten, insbesondere Treibhausgasen [19],[20]. Diese biochemische Gesetzmäßigkeit lässt sich auch durch Bio-Tierhaltung nicht außer Kraft setzen. Vielmehr sind Tierprodukte aus Bio-Tierhaltung insgesamt meist sogar klimaschädlicher als Tierprodukte aus konventioneller Intensivtierhaltung. Die Gründe dafür sind:
(1) Höherer Flächenbedarf für Futtermittelanbau und Weideland und damit höhere Emissionen aus Landnutzungsänderungen [21],[22],[23]
(2) Geringere, durchschnittliche Erträge pro Tier pro Jahr, da die Tiere länger am Leben gelassen werden [24]
(3) Höhere Methanemissionen bei Wiederkäuern aufgrund höherer Grünfutteranteile [24].
[1] https://www.ipcc.ch/report/ar5/wg1/anthropogenic-and-natural-radiative-forcing (S.711)
[2] https://landwirtschaft.jetzt/wp-content/uploads/2022/02/20220218-SLCF-POTV.pdf
[3] https://www.industryfootprint.org/ifc/ (Abschnitt 4)
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCnland
[5] https://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/publications/grazed-and-confused (S. 42)
[6] https://landwirtschaft.jetzt/mythos‑3/
[7] https://landwirtschaft.jetzt/wp-content/uploads/2021/09/2021–09-07_LWJ-BigPicture_Final.pdf (S. 17)
[8] https://www.industryfootprint.org/ifc/specs (Abschnitt 2)
[9] https://www.fao.org/3/i1880e/i1880e00.htm (Seite 12, Werte von C in CO2 umgerechnet)
[10] https://landwirtschaft.jetzt/klimawandel/
[11] https://gml.noaa.gov/ccgg/trends_ch4/
[13] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/Bodenzustandserhebung.pdf (S. 20)
[14] https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.1710465114#supplementary-materials (Appendix, S. 50)
[15] https://biozyklisch-vegan.org/faq
[16] https://landwirtschaft.jetzt/mythos‑4/
[17] https://www.ufz.de/index.php?de=36065
[18] https://www.cbd.int/forest/
[19] https://en.wikipedia.org/wiki/Ecological_efficiency
[20] https://landwirtschaft.jetzt/mythos‑5/
[22] https://doi.org/10.1038/s41467-020–19474‑6
[23] https://doi.org/10.1016/j.agsy.2007.06.001
[24] http://www.pilotbetriebe.de/download/Tagung_2013/Paulsen.pdf
[25] https://youtu.be/MTFAgdxEnJM?t=314
[26] https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCnd%C3%BCngung
[27] https://biozyklisch-vegan.org/hintergruende/#Anbauleitfaden (Kapitel 3: Düngung)
[30] https://vegconomist.de/investments-finance/leaft-foods-finanzierung-rubisco
[31] https://www.rethinkx.com/food-and-agriculture
[32] https://vegconomist.de/neue-produkte/pflanzenproteins-auf-raps-basis-apetit/
[35] https://biozyklisch-vegan.org/wp-content/uploads/2020/07/Leitfaden_humuserde_V4.pdf
[36] https://landwirtschaft.jetzt/wp-content/uploads/2020/10/6.pdf (S. 5)
[37] https://www.science.org/doi/suppl/10.1126/science.aaq0216/suppl_file/aaq0216-poore-sm.pdf (S. 41 f.)
[41] https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/kulinarische-kompass-klima.pdf (S.26)
[42] https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/daten-zur-umwelt-2018-umwelt-landwirtschaft (S. 63)
[43] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/421/dokumente/vortrag_geupel.pdf
[45] https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Energie/Erzeugung/_inhalt.html
[46] https://doi.org/10.13140/RG.2.2.22613.35040/1
[47] https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas#klimagase-aus-der-viehhaltung (Tab: Emissionen von Treibhausgasen aus der Tierhaltung 2021)
[48] https://www.industryfootprint.org/ifc/specs/ (Abschnitt 4)
[49] https://youtu.be/MTFAgdxEnJM (Windisch)
[50] https://www.n‑tv.de/wissen/Wiederkaeuer-im-Klima-Labor-von-ntv-Klimakiller-Kuh-Ein-irrefuehrendes-Narrativ-article22890482.html (Windisch)
[51] http://www.anita-idel.de/pdf/Vom_Mythos_der_klimasmarten_Landwirdschaft.pdf (Idel)
[52] http://lnv-bw.de/wp-content/uploads/2012/11/Idel_Die-Kuh-ist-kein-Klimakiller.pdf (Idel)
[54] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/kuh-co2-landwirtschaft-101.html (Lorenz)
[55] https://www.n‑tv.de/wirtschaft/Kunstfleisch-im-Klima-Labor-Fuer-Sarah-Wiener-das-Grauen4-0-article23115309.html (Wiener)
[56] https://youtu.be/UOPrF8oyDYw (Mitloehner)
[57] https://www.businessinsider.de/wissenschaft/ernaehrung/warum-die-landwirtschaft-und-methan-chance-bieten/ (Mitloehner)
[58] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ele.13527 (S. 1301 f.)
[59] https://www.ipcc.ch/report/ar5/wg1/anthropogenic-and-natural-radiative-forcing (S.731)