Die Kuh ist (k)ein Klimakiller?!

Ei­nige Ver­fech­ter der Tier­hal­tung, bei­spiels­weise der Tier­er­näh­rungs-Ex­perte Prof. Wil­helm Win­disch, die Tier­ärz­tin Dr. Anita Idel, der Bauer Sven Lo­renz, der Agrar­lob­by­ist Prof. Frank Mit­loeh­ner und die Kö­chin Sa­rah Wie­ner be­haup­ten in In­ter­views, Vor­trä­gen, Ar­ti­keln, Lob­by­platt­for­men und Bü­chern wie­der­keh­rend: „Die Kuh ist kein Kli­ma­kil­ler.“ Wir ha­ben uns 16 der gän­gigs­ten Be­haup­tun­gen an­ge­se­hen, ha­ben sie ei­nem in­ten­si­ven Fak­ten­check un­ter­zo­gen und kom­men zu dem ein­deu­ti­gen Fa­zit: „Die Kuh als Nutz­tier ist ein Klimakiller.“

Wäh­rend sich die Be­haup­tun­gen in­halt­lich wie­der­ho­len, ist die Liste der Quel­len lang. Ei­nige Links dazu fin­den sich un­ter den Re­fe­ren­zen [49–57] im Quel­len­ver­zeich­nis am Ende die­ses Artikels.

Methan

Ge­ne­rell wird von Tier­hal­tungs- und ins­be­son­dere von Kuh­hal­tungs-Ver­fech­tern ver­sucht, die Rolle von Me­than her­un­ter­zu­spie­len, da es das  be­deu­tendste Treib­haus­gas der Tier-/Kuh­hal­tung ist.

1. Be­haup­tung: Me­than ist 25-mal schäd­li­cher als CO2.

Rich­tig ist: Dies trifft nur zu, wenn man den Be­trach­tungs­zeit­raum auf 100 Jahre streckt. Die An­wen­dung die­ses Zeit­raums ist rein ex­em­pla­risch und es gibt ge­mäß IPCC kein wis­sen­schaft­li­ches Ar­gu­ment da­für [1]. Auf­grund der Kurz­fris­tig­keit des Ab­baus und der Dring­lich­keit des Pro­blems ist ein kür­ze­rer Zeit­raum sinn­vol­ler [2]. Me­than ist gem. Kli­ma­mo­del­len von Myhre et al. (2013) ohne Be­rück­sich­ti­gung von Sul­fat­ab­bau (in­di­rect For­cing) [8] über ei­nen Be­trach­tungs­zeit­raum von 12 Jah­ren mehr als 100-mal schäd­li­cher und über 20 Jahre 87-mal schäd­li­cher als CO2 [3].

2. Be­haup­tung: Me­than spielt nur kurz­fris­tig eine Rolle, hat aber lang­fris­tig keine Wir­kung. CO2 ist kumulativ.

Rich­tig ist: Es ist zu­tref­fend, dass Me­than sehr kurz­fris­tig wirkt, je­doch hat es über ei­nen Zeit­raum von 12 Jah­ren mehr als die 100-fa­che und über 20 Jahre die 87-fa­che Wir­kung von CO2 [3]. Die stän­di­gen Emis­sio­nen aus der Tier­hal­tung, ins­be­son­dere der Kühe, füh­ren zu ei­ner ho­hen So­ckel-Kon­zen­tra­tion in der At­mo­sphäre, ohne die sich das Klima in nur 12 Jah­ren dau­er­haft um ca. 0,2 °C ab­küh­len würde [2]. Ge­rade we­gen der Kurz­le­big­keit sollte der Ab­bau von Me­than-Emis­sio­nen eine hohe Prio­ri­tät ha­ben [12],[40]. Dass sich CO2-Emis­sio­nen ku­mu­la­tiv auf die Treib­haus­gas-Kon­zen­tra­tio­nen in der At­mo­sphäre aus­wir­ken ist rich­tig, diese Ef­fekte sind aber über die zeit­be­zo­ge­nen In­ter­gale der GWP-Mo­delle be­rück­sich­tigt [48].

3. Be­haup­tung: Me­than aus fos­si­len En­er­gien ist schäd­lich, das Me­than von Kü­hen aber nicht.

Rich­tig ist: Ge­mäß des IPCC hat Me­than aus fos­si­len Quel­len über 20 Jahre ein Er­wär­mungs­po­ten­tial (GWP) von 85, das bio­gene Me­than hat ein GWP von 84. Der mi­ni­mal hö­here Wert beim fos­si­len Me­than er­gibt sich aus der Tat­sa­che, dass dort der At­mo­sphäre Koh­len­stoff neu zu­ge­führt wird und das Me­than sich letzt­end­lich zu kli­ma­wirk­sa­men CO2 ab­baut [59]. Die ver­blei­ben­den Men­gen an CO2 sind da­bei aber sehr ge­ring, so dass die bei­den Er­wär­mungs­po­ten­tiale bei­nahe gleich groß sind.

Me­than baut sich zwar in­ner­halb von 12 Jah­ren ab, durch die Kühe wird aber stän­dig Me­than emit­tiert, so dass ein gleich ho­hes Ni­veau in der At­mo­sphäre mit ent­spre­chend ho­hen Rück­strah­lungs­wir­kun­gen be­stehen bleibt [11]. Ohne Kühe wür­den die Me­thankon­zen­tra­tio­nen dras­tisch sin­ken und sich das Klima so­mit enorm ab­küh­len [2].

4. Be­haup­tung: Me­than (CH4) be­fin­det sich in ei­nem Kreis­lauf und ist da­her unschädlich.

Rich­tig ist: CH4 be­fin­det sich in kei­nem Kreis­lauf, son­dern le­dig­lich das darin ent­hal­tene Koh­len­stoff­atom. Zu­nächst nimmt die Kuh Koh­len­stoff über die Grä­ser auf. Bak­te­rien in den Ver­dau­ungs­sys­te­men der Kuh zer­set­zen die Bio­masse und syn­the­ti­sie­ren das Koh­len­stoff­atom mit Was­ser­stoff zu CH4, wel­ches in die At­mo­sphäre ge­langt und über kom­plexe, kli­ma­schä­di­gende Pro­zesse in CO2 ab­ge­baut wird. Dann neh­men die Pflan­zen das CO2 wie­der auf. Die­ser Pro­zess dau­ert zwar nur 12 Jahre, aber in­ner­halb die­ser 12 Jahre ist Me­than mehr als 100-mal schäd­li­cher als wenn es nur das CO2 ge­ben würde. Das Koh­len­stoff­atom be­fin­det sich zwar in ei­nem Kreis­lauf, die Um­wand­lung von CO2 in CH4 ist aber kei­nes­wegs neu­tral. Im Prin­zip wird über die Kuh das CO2 der Luft durch CH4 er­setzt, und das dau­er­haft, denn die Um­wand­lung bei ei­nem gleich­blei­ben­den Tier­be­stand fin­det kon­ti­nu­ier­lich auf gleich ho­hem Ni­veau statt [8].

Eine ein­fa­che Rech­nung zeigt, wie schäd­lich eine Kuh für das Klima ist: Eine Kuh in Wei­de­hal­tung be­nö­tigt ca. 6700 m2. Pro Jahr stößt eine Kuh ca. 100 kg Me­than aus. Dies ent­spricht bei ei­nem GWP (Glo­bal Warm­ing Po­ten­tial) von 87 ca. 8700 kg CO2-Äqui­va­lente. Pro Qua­drat­me­ter ver­ur­sacht eine Kuh so­mit 1,3 kg CO2eq pro Jahr. Eine un­ge­sät­tigte Wei­de­flä­che se­ques­triert pro Qua­drat­me­ter und Jahr aber nur 0,2 kg CO2 [9]. Ohne Be­rück­sich­ti­gung wei­te­rer Fak­to­ren schä­digt die Kuh in Wei­de­hal­tung das Klima pro Jahr dem­nach mit netto 7370 kg CO2eq. Wei­tere Fak­to­ren er­hö­hen die Kli­ma­schäd­lich­keit der Kuh zu­sätz­lich, wie bspw. die Me­than-Emis­sio­nen der Gülle, die Car­bon-Op­por­tu­ni­täts­kos­ten der Auf­recht­erhal­tung des Gras­lands und das re­gel­mä­ßige Aus­at­men von CO2.

Grasland / Grünland

Kuh­hal­tungs-Ver­fech­ter ver­su­chen, die Nut­zung von Kü­hen zur Er­hal­tung des Gras­lands als na­tür­lich, not­wen­dig und klima- und bio­di­ver­si­täts­för­der­lich dar­zu­stel­len. Eine Be­wei­dung durch Kühe wird als al­ter­na­tiv­lose Nut­zungs­form des Gras­lands propagiert.

5. Be­haup­tung: Gras­land ist in Deutsch­land ein er­folg­rei­ches Ökosystem.

Rich­tig ist: Das Gras­land in Mit­tel­eu­ropa ist an­thro­po­gen, also künst­lich und kann nur exis­tie­ren, wenn es stän­dig be­wei­det und ge­mäht wird. Das na­tür­li­che Öko­sys­tem in Deutsch­land ist der Wald. Ohne Ein­griffe ver­wan­delt sich das in Deutsch­land vor­herr­schende Gras­land in­ner­halb we­ni­ger Jahre durch Suk­zes­sion wie­der in Wald [4].

6. Be­haup­tung: Durch die Be­wei­dung über die so­ge­nannte “Re­ge­ne­ra­tive Wei­de­wirt­schaft”  (Re­ge­ne­ra­tive Gra­zing, Ho­li­stic Gra­zing) wird das Gras­wachs­tum incl. der Wur­zeln der­art ge­stei­gert, dass es zu ei­ner stän­di­gen Netto-CO2-Se­ques­trie­rung über den Bo­den kommt.

Rich­tig ist: Auf neuem Gras­land führt die Be­wei­dung über die­ses Sys­tem zwar zu ei­ner ge­rin­gen An­re­gung des Pflan­zen­wachs­tums, ins­be­son­dere der Wur­zeln, aber be­reits nach we­ni­gen Jah­ren kann der Bo­den kein wei­te­res CO2 mehr auf­neh­men und der Ef­fekt ten­diert ge­gen null. Ab dann wird ge­nauso viel CO2 ab­ge­ge­ben, wie zu­vor auf­ge­nom­men wurde. Diese Sät­ti­gung wird nach 30–70 Jah­ren er­reicht, dürfte also beim Wei­de­land in Deutsch­land schon längst er­reicht sein [5]. Eine wei­tere Meta-Stu­die über 25000 Pri­mär­stu­dien kommt zu dem Er­geb­nis, dass durch Be­wei­dung ge­gen­über Nicht-Be­wei­dung der or­ga­ni­sche Bo­den­koh­len­stoff (Soil Or­ga­nic Car­bon — SOC) so­gar zwi­schen 4% und 31% ab­nimmt (im Durch­schnitt: 7%) [60].

7. Be­haup­tung: Gras­land-Bö­den spei­chern mehr Koh­len­stoff als Wälder.

Rich­tig ist: Zwar spei­chern Gras­land-Bö­den mehr Koh­len­stoff als Wald-Bö­den, je­doch spei­chern Wäl­der ober­ir­disch enorm viel mehr Koh­len­stoff über Bäume und Sträu­cher. In der Summe spei­chern Wäl­der deut­lich mehr Koh­len­stoff als Gras­land­schaf­ten [13]. Wäl­der ha­ben ein weit hö­he­res Se­questra­ti­ons­po­ten­tial, vor al­lem, wenn sie erst wach­sen müs­sen (z.B. bei ei­ner Auf­fors­tung von Gras­land), da sie dann den Sät­ti­gungs­grad erst nach 100 – 200 Jah­ren er­rei­chen. Die Se­questra­ti­ons­rate ei­nes wach­sen­den Wal­des liegt bei 7 – 21 Ton­nen CO2 pro Jahr und Hektar [14]. Un­ge­sät­tig­tes Gras­land kann im Bo­den netto le­dig­lich 2 Ton­nen pro Jahr und Hektar bin­den [9].

8. Be­haup­tung: Kühe sor­gen für Biodiversität.

Rich­tig ist: Be­wei­dete Gras­land­schaf­ten in Deutsch­land bie­ten hö­here Bio­di­ver­si­tät als Äcker je­doch ha­ben die na­tür­li­chen Öko­sys­teme in Deutsch­land, näm­lich Wäl­der, die höchste Bio­di­ver­si­tät. Diese bie­ten weit mehr und viel un­ter­schied­li­chere Le­bens­räume. Ne­ben Bäu­men le­ben dort zahl­rei­che Pflan­zen, Pilze, Mi­kro­or­ga­nis­men, In­sek­ten und Wir­bel­tiere [17],[18]. Ge­mäß ei­ner glo­ba­len Meta-Ana­lyse über 107 Stu­dien ver­rin­gert die Be­wei­dung von Gras­land­schaf­ten ge­gen­über Nicht­nut­zung so­wohl die Menge an Pflan­zen und Tie­ren, als auch die Bio­di­ver­si­tät un­ter den Tie­ren deut­lich. Ins­be­son­dere die Menge und Viel­falt der Be­stäu­ber nimmt ab [58]

Möchte man den­noch et­was Gras­land be­hal­ten, so könn­ten ei­nige we­nige Tiere z.B. auf Al­men oder in ei­nem ab­ge­schlos­se­nen Ha­bi­tat an­ge­sie­delt wer­den, wo sie dort bis zu ih­rem na­tür­li­chen Tod und ohne Aus­beu­tung (Fleisch, Milch) le­ben kön­nen. Eine Tier- „Nut­zung“ ist in kei­nem Fall erforderlich.

9. Be­haup­tung: Gras­land kann aus­schließ­lich von Wie­der­käu­ern sinn­voll ge­nutzt werden.

Rich­tig ist: Es stimmt, dass durch Ver­füt­te­rung von Gras an Wie­der­käuer die Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­tion er­höht wer­den könnte, denn für diese Agrar­flä­chen be­steht keine Nah­rungs­kon­kur­renz und ein Um­bruch des Gras­lands ist öko­lo­gisch nicht sinn­voll. Eine zu­sätz­li­che Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­tion über Gras­land ist aber bei ei­nem rein pflanz­li­chen Er­näh­rungs­sys­tem gar nicht er­for­der­lich, denn die be­stehen­den Fut­ter­mit­te­lä­cker rei­chen mehr als aus, um alle Men­schen aus­rei­chend zu ver­sor­gen [6]. Aus ge­gen­wär­ti­ger Sicht der Klima,- Bio­di­ver­si­täts- und (geo­po­li­ti­schen) En­er­gie­kri­sen viel sinn­vol­lere Nut­zun­gen für Gras­land sind Auf­fors­tun­gen, An­la­gen für er­neu­er­bare En­er­gien (So­lar, Wind­kraft), Na­tur­schutz­ge­biete und auf Gras­sub­strate ba­sie­rende Bio­gas­an­la­gen, die ne­ben En­er­gie auch Dün­ger lie­fern [7],[39]. Hierzu sollte es ggf. zu­sätz­li­che staat­li­che An­reize ge­ben, z.B. In­ves­ti­ti­ons­för­de­run­gen, CO2-Zer­ti­fi­kate oder Direktsubventionen.

Kühe als Düngerlieferanten / Nährstoffkreislauf

Tier- und Kuh­hal­tungs-Ver­fech­ter ver­su­chen, die Tier­hal­tung als not­wen­di­gen und al­ter­na­tiv­lo­sen Be­stand­teil der Land­wirt­schaft darzustellen.

10. Be­haup­tung: Wir brau­chen die Kühe für Dün­ger. Kühe sind er­for­der­lich für eine Kreislaufwirtschaft.

Rich­tig ist: Bei Kü­hen er­folgt die Ver­dau­ung maß­geb­lich durch an­ae­robe Bak­te­rien, wel­che die Pflan­zen­be­stand­teile u.a. schließ­lich in Gülle und Me­than um­wan­deln. Viel sinn­vol­ler ist es, wenn ae­robe Bak­te­rien die Um­wand­lung der Pflan­zen in Dün­ger au­ßer­halb von Tie­ren über­neh­men, denn dann ent­steht nicht das ex­trem kli­ma­schäd­li­che Me­than. Diese in­no­va­ti­ven Tech­ni­ken wer­den z.B. bei der Gründün­gung, beim Kom­pos­tie­ren und beim Hu­mus­auf­bau an­ge­wandt. Als Er­satz für Stick­stoff-Kunst­dün­ger kön­nen Le­gu­mi­no­sen ge­nutzt wer­den, wel­che dann ent­we­der ge­ern­tet oder als Gründün­ger, Cut & Carry — Be­stand­teil oder zum Kom­pos­tie­ren und zum Hu­mus­auf­bau ver­wen­det wer­den kön­nen [15]. Dar­über hin­aus be­steht die Mög­lich­keit, Dün­ger über Gras­sub­strat-ba­sie­rende Bio­gas­an­la­gen her­zu­stel­len und das an­fal­lende Me­than als er­neu­er­ba­ren En­er­gie­trä­ger zu nut­zen [39].

Ganz ge­ne­rell sind „Nutz­tiere“ nicht für land­wirt­schaft­li­che Kreis­läufe er­for­der­lich. Die Tier­hal­tung ist viel­mehr ein künst­li­cher und res­sour­cen­in­ten­si­ver Fak­tor, der die Stoff­strom­bi­lan­zen ins Un­gleich­ge­wicht bringt. So ge­langt nur ein Teil der Nähr­stoffe der Tier­kör­per wie­der zu­rück auf das Feld, fremde Bö­den wer­den durch Fut­ter­mit­tel­im­porte aus­ge­beu­tet und hie­sige mit Nähr­stof­fen über­schwemmt, der hohe Fut­ter­mit­tel­be­darf er­for­dert in­ten­sive Land­wirt­schaft un­ter Ein­satz von Kunst­dün­ger und Pes­ti­zi­den und über das künst­li­che Kon­strukt der Tier­hal­tung ge­langt mas­sen­haft An­ti­bio­tika auf die Fel­der [16].

Effizienz

Tier­hal­tungs-Ver­fech­ter ver­su­chen, Al­ter­na­ti­ven zu ei­ner Land­wirt­schaft mit Tier­hal­tung als nicht mach­bar und nicht ef­fi­zi­ent darzustellen.

11. Be­haup­tung: Für eine Ein­heit di­rekt ess­bare Pflan­zen­be­stand­teile fal­len vier wei­tere nicht-ess­bare Pflan­zen­be­stand­teile an. Wir brau­chen Kühe, um diese nicht-ess­ba­ren Pflan­zen­be­stand­teile in Nah­rung zu ver­wan­deln. Kühe kön­nen aus den vier Ein­hei­ten nicht-ess­bare Pflan­zen­be­stand­teile eine Ein­heit ess­bare Nah­rung herstellen.

Rich­tig ist: Das dar­ge­stellte Ver­hält­nis ist nicht kor­rekt. Viele Pflan­zen­be­stand­teile kön­nen auch di­rekt der Nah­rung des Men­schen die­nen und für alle an­de­ren gibt es ef­fi­zi­ente, al­ter­na­tive Nutzungen.

In das vor­ge­tra­gene Ver­hält­nis von vier An­tei­len nicht ess­ba­rer Bio­masse für ei­nen ess­ba­ren An­teil hat Prof. Win­disch zu ei­nem gro­ßen Teil Gras ein­flie­ßen las­sen [25]. Gras ist aber kein Ne­ben­pro­dukt der für Men­schen an­ge­bau­ten Pflan­zen. Es darf in diese Rech­nung so­mit gar nicht in­te­griert werden.

Des Wei­te­ren wur­den Zwi­schen­kul­tu­ren der Frucht­folge ein­be­zo­gen [25]. Es be­steht aber keine Not­wen­dig­keit, diese an Tiere zu ver­füt­tern. Je nach Art kön­nen sie auch von Men­schen ge­ges­sen wer­den (z.B. Lu­pine, Hül­sen­früchte). Dar­über hin­aus die­nen im bio­zy­klisch-ve­ga­nen An­bau Zwi­schen­früchte, in­dem sie ge­mulcht und un­ter­ge­pflügt wer­den, dem wich­ti­gen Zweck der Gründün­gung [26],[27].

Es ist na­tür­lich zu­tref­fend, dass bei der Ernte von Feld­früch­ten für den Men­schen nicht-ess­bare Be­stand­teile an­fal­len. Im Bei­spiel Ge­treide ist das Ver­hält­nis von Korn zu Stroh und Spreu 1:0,9. Hier­bei über­wiegt das Stroh ge­gen­über der Spreu deut­lich. Das Stroh fin­det auf­grund des ge­rin­gen Nähr­werts aber kaum als Fut­ter­mit­tel Ver­wen­dung. Le­dig­lich die Spreu kann sinn­voll an Tiere ver­füt­tert wer­den, al­ler­dings gibt es auch an­dere Nut­zungs­mög­lich­kei­ten. Ei­ner­seits wer­den ge­rade Ver­fah­ren ent­wi­ckelt, um sie über Fer­men­ta­tion für pflan­zen­ba­sier­tes Fleisch zu nut­zen [28][31], an­de­rer­seits kön­nen sie zur Dün­gung bei­tra­gen [27]. Ana­lo­ges gilt für die nicht-ess­ba­ren Be­stand­teile al­ler an­de­ren Feldfrüchte.

In die Rech­nung von Prof. Win­disch flie­ßen auch Ne­ben­pro­dukte der Ver­ar­bei­tung ein [25]. Dies sind vor­ran­gig Raps­ex­trak­ti­ons­schrot, So­ja­ex­trak­ti­ons­schrot, Tre­ber und Tres­ter. Hier­bei han­delt es sich um die ei­weiß­rei­chen Reste der Pflan­zen­öl­ge­win­nung, um die ei­weiß­rei­chen Rück­stän­den beim Brauen und um die Press­rück­stände von Obst und Ge­müse. Alle diese Ne­ben­pro­dukte wer­den schon seit lan­ger Zeit auch di­rekt für Nah­rungs­mit­tel für Men­schen ge­nutzt, z.B. als Flei­scher­satz, für Pro­te­in­pul­ver, für Brot, für Spi­ri­tuo­sen und für Pek­tin. Seit kur­zem kön­nen über neue Ver­fah­ren Ex­trak­ti­onssch­rote und Tre­ber aber auch zur Her­stel­lung von pro­te­in­rei­chem, pflan­zen­ba­sier­tem Fleisch ver­wen­det wer­den [32],[33],[29].

Zu­künf­tig wird es auch Ver­fah­ren und Tech­no­lo­gien ge­ben, nicht-ess­bare Bio­masse höchstef­fi­zi­ent in für Men­schen hoch­wer­tige Le­bens­mit­tel zu ver­wan­deln. Bei­spiels­weise ist es Un­ter­neh­men ge­lun­gen, das auf der Erde am häu­figs­ten vor­kom­mende Pro­tein Ru­bisco aus Pflan­zen zu ex­tra­hie­ren [30]. Eben­falls wird es Ver­fah­ren ge­ben, Bio­masse über Zu­cker­frei­set­zung und mit­hilfe von Prä­zi­si­ons­fer­men­ta­tion in alle denk­ba­ren Pro­te­ine, Fette und Koh­len­hy­drate zu ver­wan­deln [31].

Er­gän­zend zu al­len dar­ge­stell­ten Nut­zungs­mög­lich­kei­ten, die­nen die nicht in Nah­rung ver­wan­del­ba­ren Reste des Pflan­zen­baus der für die bio-ve­gane Land­wirt­schaft es­sen­ti­el­len pflanz­li­chen Dün­gung. Dies er­folgt über ver­schie­dene in­no­va­tive Ver­fah­ren, wie Gründün­gung, Grün­schnitt­dün­gung, Kom­pos­tie­rung und Hu­mus­auf­bau [27]. Auch eine Nut­zung über Bio­gas­an­la­gen zur Er­zeu­gung er­neu­er­ba­rer En­er­gie und wert­vol­lem Dün­ger ist möglich.

12. Be­haup­tung: Wir brau­chen bei ei­ner rein ve­ga­nen Land­wirt­schaft die dop­pelte Agrarfläche.

Rich­tig ist: Das Ge­gen­teil ist der Fall. Ent­schei­dend ist, dass alle Flä­chen­ver­bräu­che ein­be­rech­net und die Er­träge pro Flä­chen­ein­heit in Form von pflanz­li­chen und tie­ri­schen Ka­lo­rien und Pro­te­inen ver­gli­chen wer­den [36],[37]. So müs­sen in eine Land­wirt­schaft mit Kü­hen auch die Grün­flä­chen, wel­che Nah­rungs­lie­fe­ran­ten der Kühe und letzt­end­lich Dün­ge­lie­fe­ran­ten für die Äcker sind, in den Ver­gleich ein­flie­ßen. Bei ei­ner ve­ga­nen Land­wirt­schaft dür­fen Pflan­zen­reste, wie oft un­ter­stellt, nicht ein­fach auf dem Feld ver­rot­ten, son­dern es müs­sen neu­este Er­kennt­nisse und Tech­ni­ken wie Gründün­gung, Grün­schnitt­dün­gung, Kom­pos­tie­rung [27], Hu­mus­auf­bau [35] und Ver­gä­rung über Bio­gas­an­la­gen zum Ein­satz kom­men. So lässt sich über Kom­pos­tie­rung, Hu­mu­ser­zeu­gung und Bio­mas­se­ver­gä­rung pflanz­li­cher Dün­ger her­stel­len, der ebenso wie Mist und Gülle la­ger­bar und be­darfs­ge­recht ein­setz­bar ist.

Glo­bal ge­se­hen kön­nen die Agrar­flä­chen bei ei­nem Wech­sel zu ei­ner ve­ga­nen Land­wirt­schaft um 76% und die die Acker­flä­chen um 19% ver­rin­gert wer­den [36]. In Deutsch­land dürfte der An­teil et­was ge­rin­ger sein, da die Land­wirt­schaft kaum ex­ten­siv, son­dern meist in­ten­siv be­trie­ben wird. Den­noch wür­den auch in Deutsch­land ohne Tier­hal­tung enorme Flä­chen frei.

Dies er­mög­lichte ei­ner­seits die zwar we­ni­ger ef­fi­zi­ente, da­für aber nach­hal­tige bio-ve­ga­nen Land­wirt­schaft ohne Kunst­dün­ger und Pes­ti­zide zu be­trei­ben und an­de­rer­seits die Flä­chen ge­gen den Kli­ma­wan­del und den Ver­lust der Bio­di­ver­si­tät ein­zu­set­zen, z.B. durch Auf­fors­tun­gen, An­la­gen für er­neu­er­bare En­er­gien (So­lar, Wind­kraft) und Na­tur­schutz­ge­biete. Ziele der En­er­gie­wende und En­er­gie­aut­ar­kie kön­nen mit ei­nem Wech­sel zu ei­ner pflan­zen­ba­sier­ten Land­wirt­schaft ver­knüpft wer­den, z.B. in­dem Grün­flä­chen als Gär­sub­strat-Lie­fe­rant für Bio­gas­an­la­gen die­nen und nach Ver­gä­rung wich­ti­gen pflan­zen­ba­sier­ten Dün­ger über die Gär­reste lie­fern [39].

Emissionen

Tier­hal­tungs-Ver­fech­ter ver­su­chen, die Emis­sio­nen der Tier­hal­tung her­un­ter­zu­spie­len und als ver­nach­läs­sig­bar darzustellen.

13. Be­haup­tung: In Deutsch­land stam­men nur 3,2% der CO2-Äqui­va­lente aus der Tierhaltung.

Rich­tig ist: Das Um­welt­bun­des­amt gibt an, dass ca. 5% (36 Mt. CO2eq von 762Mt. CO2eq) der Treib­haus­gase di­rekt der Tier­hal­tung ent­stam­men [38]. Die An­teile der Tier­hal­tung sind aber we­sent­lich hö­her, denn es feh­len (1) Emis­sio­nen, die durch die Her­stel­lung von Kunst­dün­ger für die rie­si­gen Tier­hal­tungs­flä­chen an­fal­len und (2) po­ten­ti­elle Koh­len­stoff­sen­ken (Car­bon-Op­por­tu­ni­täts­kos­ten), also die Nicht-Nut­zung des Se­ques­trie­rungs­po­ten­ti­als der Tier­hal­tungs­flä­chen. Zu­dem wer­den (3) die Werte für Me­than mit ei­nem zu ge­rin­gen Er­wär­mungs­po­ten­tial be­rech­net. Für (1) und (2) fal­len ins­be­son­dere die gro­ßen Aus­lands­flä­chen für Fut­ter­mit­tel ins Ge­wicht, die in den Rech­nun­gen des Um­welt­bun­des­am­tes über­haupt nicht ein­be­zo­gen werden.

Ginge man da­von aus, dass wir in Deutsch­land alle Fut­ter­mit­te­lä­cker an­statt für Tiere für Men­schen nut­zen wür­den, wür­den 46% der von Deutsch­land in­län­disch und aus­län­disch ge­nutz­ten Agrar­flä­chen frei (d.h. hie­si­ges Grün­land und Aus­lands-Fut­ter­mit­te­lä­cker). Dies ist eine sehr kon­ser­va­tive An­nahme im Ver­gleich zu den Be­rech­nun­gen der Ox­ford Uni­ver­si­tät, die auf glo­ba­ler Ebene ein Frei­wer­den von 76% der Agrar­flä­chen er­rech­ne­ten [36]. Für Deutsch­land er­gä­ben sich im Sze­na­rio mit 46% frei­wer­den­der Flä­chen Treib­haus­gas­mi­ni­mie­rungs­po­ten­tiale von min­des­tens 206 Mt CO2eq pro Jahr, was 21% der Treib­haus­gas­emis­sio­nen und un­ge­nutz­ten Po­ten­tiale ent­spricht (im Kon­trast zu den von Prof. Win­disch ge­nann­ten 3,2% und den 5% des Um­welt­bun­des­am­tes). Der An­teil wäre noch hö­her, würde man die En­er­gie­auf­wände der Tier­hal­tung (Ma­schi­nen, Ställe, Schlacht- und Kühl­häu­ser, Tier­trans­porte), die fort­dau­e­r­en­den Brand­ro­dun­gen der Re­gen­wäl­dern, die Fisch­zucht und die Oze­an­fi­sche­rei miteinbeziehen.

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14. Be­haup­tung: Die kli­ma­schäd­lichs­ten Emis­sio­nen der Land­wirt­schaft sind die von N2O und diese stam­men vor­wie­gend aus der Ver­wen­dung von Kunst­dün­ger für den Futtermittelanbau.

Rich­tig ist: N2O hat zwar ein hö­he­res Er­wär­mungs­po­ten­tial als Me­than (270 vs. 87 bzw. 103), je­doch sind die N2O-Emis­sio­nen aus der Tier­hal­tung men­gen­be­zo­gen ver­gleichs­weise ge­ring, so dass die Kli­ma­schä­di­gung die­ser N2O-Emis­sio­nen be­zo­gen auf die Ge­samt­emis­sio­nen der Tier­hal­tung nur etwa 7% be­trägt (be­zo­gen auf 206 Mt CO2eq, siehe Be­haup­tung 13 und Quelle [38]). Zu­dem stammt das N2O der Land­wirt­schaft nicht nur aus der Zer­set­zung von Kunst­dün­ger auf den Fel­dern, son­dern zu ei­nem gro­ßen Teil auch aus dem Ab­bau der Kuh­gülle auf den Weide- und Acker­fä­chen [38].

15. Be­haup­tung: Die Rück­füh­rung (Re­zy­klie­rung) der nicht-ess­ba­ren Bio­masse ver­ur­sacht stets die glei­chen Kli­ma­gas­wir­kun­gen, un­ab­hän­gig da­von, ob sie über die Füt­te­rung an Nutz­tiere, über Bio­gas­ge­win­nung, Gründün­gung, Kom­pos­tie­rung oder Hu­mus­auf­bau erfolgt.

Rich­tig ist: In der ve­ga­nen Land­wirt­schaft er­folgt die Zer­set­zung der Pflan­zen durch ae­robe Bak­te­rien und führt zu CO2-Emis­sio­nen. In Kü­hen hin­ge­gen er­folgt die Zer­set­zung der Pflan­zen an­ae­rob, was mit der Emis­sion von Me­than ein­her­geht. Da Me­than 87–103-mal stär­ker wirkt als CO2, ist die Re­zy­klie­rung des Koh­len­stoffs aus Bio­masse über Kühe ent­spre­chend klimaschädlicher.

Falls in der ve­ga­nen Land­wirt­schaft eine Bio­gas­an­lage zur Er­zeu­gung von Me­than und Dün­ger ein­ge­setzt wird, ent­steht in der An­lage zu­nächst zwar Me­than, die­ses ge­langt aber nicht in die At­mo­sphäre, denn es wird über die Ver­bren­nung zu CO2 umgewandelt.

Bio-Tierhaltung / Weidehaltung

Über das Ar­gu­ment der so­ge­nann­ten Bio-Tier­hal­tung ver­su­chen Tier­hal­tungs-Ver­fech­ter, eine Al­ter­na­tive aufzuzeigen.

16. Be­haup­tung: Bio-Tier­hal­tung und ins­be­son­dere Wei­de­hal­tung sind die Lösung.

Rich­tig ist: Ganz ge­ne­rell ist Bio-Tier­hal­tung als Er­satz für die kon­ven­tio­nelle Tier­hal­tung über­haupt nicht um­setz­bar, da Deutsch­land die da­für not­wen­di­gen Flä­chen gar nicht be­sitzt. Zu­dem ist aber Bio-Tier­hal­tung öko­lo­gisch nicht ziel­füh­rend. Bio-Tier­hal­tung ist für die Bio­di­ver­si­tät zwar et­was bes­ser als kon­ven­tio­nelle Tier­hal­tung, aber schlech­ter als das na­tür­li­che Öko­sys­tem Wald, das es ei­gent­lich zu ver­glei­chen gilt. Für das Klima ist die Bio-Tier­hal­tung min­des­tens so schäd­lich wie die In­ten­siv­tier­hal­tung. Auf­grund von durch­schnitt­lich 90% En­er­gie­ver­lus­ten bei der Um­wand­lung pflanz­li­cher Pro­te­ine und Nähr­stoffe in Fleisch, Milch und Eier ver­ur­sa­chen tie­ri­sche Pro­dukte ge­gen­über gleich­wer­ti­gen, pflanz­li­chen Al­ter­na­ti­ven ein Viel­fa­ches an schäd­li­chen Stoff­wech­sel­pro­duk­ten, ins­be­son­dere Treib­haus­ga­sen [19],[20]. Diese bio­che­mi­sche Ge­setz­mä­ßig­keit lässt sich auch durch Bio-Tier­hal­tung nicht au­ßer Kraft set­zen. Viel­mehr sind Tier­pro­dukte aus Bio-Tier­hal­tung ins­ge­samt meist so­gar kli­ma­schäd­li­cher als Tier­pro­dukte aus kon­ven­tio­nel­ler In­ten­siv­tier­hal­tung. Die Gründe da­für sind:

(1) Hö­he­rer Flä­chen­be­darf für Fut­ter­mit­tel­an­bau und Wei­de­land und da­mit hö­here Emis­sio­nen aus Land­nut­zungs­än­de­run­gen [21],[22],[23]

(2) Ge­rin­gere, durch­schnitt­li­che Er­träge pro Tier pro Jahr, da die Tiere län­ger am Le­ben ge­las­sen wer­den [24]

(3) Hö­here Me­than­emis­sio­nen bei Wie­der­käu­ern auf­grund hö­he­rer Grün­fut­ter­an­teile [24].